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Dass Künstlerinnen und Künstler ihre eigene Gesellschaft kritisieren, wird regelrecht von ihnen erwartet. Auch dass sie an der Kunst Kritik üben – am Markt, an den Institutionen, an der Rolle als kreative Außenseiter, die man ihnen gerne zuschreibt –, ist üblich. Mit der „Institutionskritik“ wurde daraus gar eine eigene Kunstrichtung. Was aber, wenn Künstlerinnen und Künstler so weit gehen, nicht nur einzelne Teile des Kunstbetriebs zu kritisieren, sondern die Kunst als Ganzes? Was, wenn sie den Glauben an die Kunst verlieren, die Arbeit niederlegen und unter Protest das Kunstfeld verlassen? Nicht, weil sie scheitern. Nicht, weil ihnen der Erfolg versagt bleibt. Sondern weil sie darauf hoffen, anderswo eine Perspektive für ihr Engagement, ihre sozialen und politischen Utopien oder einfach nur ein glücklicheres Leben zu finden.
Wie viele Ex-Künstlerinnen und Ex-Künstler kennen wir, die freiwillig der Kunst den Rücken kehrten? Mit Charlotte Posenenske und Lee Lozano wurden in vergangenen Jahren zwei solcher Fälle posthum populär. Auch Cady Noland, Laurie Parsons und Eugen Schönebeck tauchten ab. Aber wie viele noch, und seit wann schon, das hat niemand gezählt. Kunsthistoriker haben sich immer schon für Herkunft und Beginn künstlerischer Praxen interessiert – aber ob, wie und warum solche Praxen vielleicht auch ein Ende finden, das haben sie nicht vermerkt. Es scheint fast so, als würde man Künstlern zugestehen zu rebellieren, zu scheitern und auch zu sterben – nicht aber, einfach zu Lebzeiten auszusteigen.
So blieb der „Ausstieg aus der Kunst“ ein ungeschriebenes Kapitel der Kunstgeschichte. GENERAL STRIKE beginnt, dieses fehlende Kapitel zu schreiben. In vier Texten legt die Publikation den systematischen Grundstein für eine Theorie und Geschichte des Kunstausstiegs. Sie verfolgt – in aller Kürze – den künstlerischen Generalstreik bis zurück ins frühe 19. Jahrhundert und schlägt eine geeignete Terminologie für die kunstwissenschaftliche Handhabe des Phänomens vor. Und sie fragt nach den Konsequenzen, die eine öffentliche Rezeption und Anerkennung des Praxiswechsels von der Kunst in andere gesellschaftliche Gefilde für die soziale Rolle von Künstlerinnen und Künstlern zu bedeuten hätten.
Anhand der „Language Pieces“ und der privaten Notizbücher der US-amerikanischen Künstlerin Lee Lozano (1930 bis 1999) wird der seltene Fall nachgezeichnet, dass sich der Ausstieg aus der Kunst unmittelbar in einem eigenen, letzten Werkkomplex dokumentiert – der nebenbei der Künstlerin posthumen Ruhm als Pionierin der Konzeptkunst einbringt. Mit bislang zum Teil unveröffentlichtem Material wird dabei auch einer Mythologisierung des Ausstiegs Lee Lozanos entgegengewirkt. Lozano und Posenenske werden schließlich verglichen, um die Motive und die kritische Stoßrichtung individueller Ausstiegsbewegungen genauer zu kennzeichnen.
GENERAL STRIKE will zeigen, dass der immer wieder vollzogene Ausstieg aus der Kunst, so unbeobachtet er in der Regel blieb, Aufschluss gibt über grundlegende Zweifel von Künstlerinnen und Künstlern an der Kunst bzw. an der sozialen Verfassung des Kunstfeldes. Zweifel, die sich besonders in politischen und kulturellen Umbruchzeiten wie in den Jahren um 1917, 1968 und 1989 häuften. Mitunter kann der Kunstausstieg dabei selbst zu einem Sonderfall kritischer Kunstpraxis werden: als eine temporäre und transitorische Praxis, die sich aus lähmenden Bedingungen emanzipiert, um jenseits der Kunst nach alternativen Handlungsoptionen zu suchen.
GENARAL STRIKE erscheint als achte Ausgabe der KOW ISSUES, die in wechselnden Formaten nach den gesellschaftspolitischen Implikationen künstlerischer Praxen fragen. Konzept, Texte und Grafik: Alexander Koch.
Wie viele Ex-Künstlerinnen und Ex-Künstler kennen wir, die freiwillig der Kunst den Rücken kehrten? Mit Charlotte Posenenske und Lee Lozano wurden in vergangenen Jahren zwei solcher Fälle posthum populär. Auch Cady Noland, Laurie Parsons und Eugen Schönebeck tauchten ab. Aber wie viele noch, und seit wann schon, das hat niemand gezählt. Kunsthistoriker haben sich immer schon für Herkunft und Beginn künstlerischer Praxen interessiert – aber ob, wie und warum solche Praxen vielleicht auch ein Ende finden, das haben sie nicht vermerkt. Es scheint fast so, als würde man Künstlern zugestehen zu rebellieren, zu scheitern und auch zu sterben – nicht aber, einfach zu Lebzeiten auszusteigen.
So blieb der „Ausstieg aus der Kunst“ ein ungeschriebenes Kapitel der Kunstgeschichte. GENERAL STRIKE beginnt, dieses fehlende Kapitel zu schreiben. In vier Texten legt die Publikation den systematischen Grundstein für eine Theorie und Geschichte des Kunstausstiegs. Sie verfolgt – in aller Kürze – den künstlerischen Generalstreik bis zurück ins frühe 19. Jahrhundert und schlägt eine geeignete Terminologie für die kunstwissenschaftliche Handhabe des Phänomens vor. Und sie fragt nach den Konsequenzen, die eine öffentliche Rezeption und Anerkennung des Praxiswechsels von der Kunst in andere gesellschaftliche Gefilde für die soziale Rolle von Künstlerinnen und Künstlern zu bedeuten hätten.
Anhand der „Language Pieces“ und der privaten Notizbücher der US-amerikanischen Künstlerin Lee Lozano (1930 bis 1999) wird der seltene Fall nachgezeichnet, dass sich der Ausstieg aus der Kunst unmittelbar in einem eigenen, letzten Werkkomplex dokumentiert – der nebenbei der Künstlerin posthumen Ruhm als Pionierin der Konzeptkunst einbringt. Mit bislang zum Teil unveröffentlichtem Material wird dabei auch einer Mythologisierung des Ausstiegs Lee Lozanos entgegengewirkt. Lozano und Posenenske werden schließlich verglichen, um die Motive und die kritische Stoßrichtung individueller Ausstiegsbewegungen genauer zu kennzeichnen.
GENERAL STRIKE will zeigen, dass der immer wieder vollzogene Ausstieg aus der Kunst, so unbeobachtet er in der Regel blieb, Aufschluss gibt über grundlegende Zweifel von Künstlerinnen und Künstlern an der Kunst bzw. an der sozialen Verfassung des Kunstfeldes. Zweifel, die sich besonders in politischen und kulturellen Umbruchzeiten wie in den Jahren um 1917, 1968 und 1989 häuften. Mitunter kann der Kunstausstieg dabei selbst zu einem Sonderfall kritischer Kunstpraxis werden: als eine temporäre und transitorische Praxis, die sich aus lähmenden Bedingungen emanzipiert, um jenseits der Kunst nach alternativen Handlungsoptionen zu suchen.
GENARAL STRIKE erscheint als achte Ausgabe der KOW ISSUES, die in wechselnden Formaten nach den gesellschaftspolitischen Implikationen künstlerischer Praxen fragen. Konzept, Texte und Grafik: Alexander Koch.